Mittwoch, 13. März 2013

die koffer im ritterhaus



BADISCHE ZEITUNG


13. März 2013 18:43 Uhr
RITTERHAUS
Offenburger Museum zeigt 99 Koffer 
für die letzte Reise
Ein Bestattungsunternehmer hat Menschen bundesweit gebeten, ihren Koffer für die
letzte Reise zu packen. In Baden ist das Ergebnis allein im Offenburger Museum im
Ritterhaus zu sehen.

Die Idee war ebenso einfach wie genial: 103 identische Koffer hat der Bestattungsunternehmer Fritz Roth an Menschen aus ganz Deutschland verschickt mit der Bitte, sie für "die letzte Reise" zu packen. Herausgekommen ist eine ganz besondere Ausstellung, die am Freitag eröffnet wird.
Offenburg ist der einzige Ort in Baden, in der das sehenswerte Kunstprojekt zu Gast ist. Die nächste Station ist Moskau.

Seit ihrer Kindheit bekam Karin D., geboren an einem Siebten, sieben gelb-orange Rosen zum Geburtstag. Deshalb hat die ledige Angestellte, die sich in Gütersloh ehrenamtlich in der Notfallbegleitung engagiert, ihren Koffer mit den Blättern von sieben Rosen gepackt, dazu mit einem kleinen Stoffhund, der sie ebenfalls seit ihrer Kindheit begleitet: "Auf meiner letzten Reise möchte ich nichts anderes", schreibt sie in einem Begleitbrief. Nur sieben echte Rosen sollen es sein.

Pfeife, Fotos, eine Rose

Ein paar Koffer weiter im zweiten Stock des Ritterhausmuseums sticht ein Exemplar hervor, bei dem nur noch das Gerüst steht, die Kofferwände wurden ausgesägt: "Ich reise immer ohne Gepäck", lautet dazu die Begründung. Andere der insgesamt 99 Koffer sind für die letzte Reise prall gefüllt mit Fotos, alltäglichen Dingen, Erinnerungsstücken, gutem Rotwein, aber auch besonderen Büchern – Devotionalien des Lebens eben. Manche enthalten wahre Kunstwerke, andere lustige Botschaften – zum Beispiel der Koffer von Jürgen Becker. Der Kabarettist hat nur Pfeife, Tabak und Pfeifenputzer eingepackt: "Wenn man stirbt, kann man auch rauchen."
In einem anderen Koffer ist lediglich die Deckelinnenseite mit einer roten Rose verziert, dahinter ein Zettel mit den Worten: "nichts als...die Liebe". Dieser Koffer gefällt Dietmar Krieger, der die ungewöhnliche Ausstellung nach Offenburg geholt hat, besonders gut. "Zu lieben – auch sich selbst – und Liebe  weiterzugeben", darauf komme es doch an. Krieger ist nicht nur ausgebildeter Trauer- und Hospizbegleiter und Mitbegründer des Offenburger Hospizvereins, er hat in seinem Leben auch schon mal drei Jahre als Totengräber gearbeitet und weiß, wie er lachend sagt: "Es ist Blödsinn, eine gute Flasche Rotwein mitzunehmen." Sein Koffer bliebe wohl leer, wie er gesteht. Kriegers Anliegen ist das Bewusstmachen der Endlichkeit des Lebens und der Kostbarkeit des Augenblicks.

Im knallroten Sarg zu Grabe getragen

Er hat Fritz Roth persönlich gekannt und beschreibt ihn als "sehr fröhlichen Menschen", der eine neue Bestattungskultur präsentieren wollte. Roth starb im vergangenen Dezember an Leberkrebs und wurde in einem knallroten Sarg zu Grabe getragen. "Er hinterließ keinen Koffer, aber ein ganzes Lebenswerk" heißt es treffend in der Broschüre zur Ausstellung, in der Roth auch zitiert wird: "Die Koffer geben ein berührendes, faszinierendes Bild dessen, was Menschen wirklich wichtig und nahe ist."
Für Museumskuratorin Anne Junk ist es spannend zu sehen, welche Antworten die Teilnehmer an der Koffer-Aktion auf die Endlichkeit des Lebens gefunden haben. Manche hätten wochenlang dazu ihre Gedanken kreisen lassen, andere den Koffer wieder leer zurückgeschickt.
Spannend an der Ausstellung ist nicht nur der Inhalt vieler Koffer, sondern auch die ausgestellten Begleitschreiben der Kofferpacker. "Es ist ein wunderbar poetisches Projekt", sagt Anne Junk. Ein wenig lerne man auch die jeweiligen Teilnehmer ganz persönlich kenne. Für Museumschef Wolfgang Gall ist es zwar nicht das erste Mal, dass im Ritterhaus das Thema Tod und Sterben thematisiert wird. Im Gegensatz zu früheren Ausstellungen werde es in zwischen aber nicht mehr tabuisiert.
Ein Besuch der Kofferschau lohnt sich fraglos. Dass sich damit automatisch die Frage aufdrängt, womit man selbst eigentlich den Koffer für die letzte Reise bestücken würde, macht die Ausstellung keineswegs weniger spannend.



"Ein Koffer für die letzte Reise"

Freitag, 15. März, Eröffnung: Die Ausstellung "Ein Koffer für die letzte Reise" wird am Freitag, 15. März, 19 Uhr im Museum im Ritterhaus durch Oberbürgermeisterin Edith Schreiner eröffnet. Eine Einführung gibt Dietmar Krieger, der bekannt ist durch die Reihe "Lebenswege". Musikalisch umrahmt wird der Abend durch Jana Metasch (Bratsche). Zu sehen ist die Ausstellung von 16. März bis 12. Mai (Di – So von 10 bis 17 Uhr außer 29.März/1. Mai)

Donnerstag, 21. März, Vortrag: Martin Ruch spricht um 19.30 Uhr im Saal im Ritterhaus über "Tod und Sterben in Offenburg – Menschen, Dinge und Bräuche." (Eintritt 5/4 Euro).

Dienstag, 26. März, Seniorenführung: Eintritt, Kaffee, Kuchen (7 Euro).

Sonntag, 14. April, Film: Um 20 Uhr wird im Forumkino "Das letzte Kapitel" gezeigt, ein Film von Maximilian Haslberger. Zu Gast ist Gabriele Reichle, Hospizverein Leonberg (5 Euro).

Weitere Termine: 15. und 16. April.
Donnerstag, 25. April, Vortrag: Um 19.30 Uhr im Saal des Ritterhauses spricht Dietmar Krieger über "War das mein Leben? Über die Kostbarkeit des Augenblicks."

Sonntag 28. April, Führung um 11 Uhr mit Constanze Allbecker-Gänser

Dienstag, 7. Mai, Lesung um 19.30 Uhr im Saal des Ritterhauses mit Ruth Köppler
"Dienstags bei Morrie". Eintritt 7/5 Euro.

Sonntag, 12. Mai, Führung um 15 Uhr mit Dietmar Krieger
Weitere Veranstaltungen zum Thema gibt es in der Reihe Lebenswege, die von Dietmar Krieger als Kooperationspartner des Museums organisiert wird. Start ist am Mittwoch, 5. Juni, 20 Uhr mit einem Vortrags- und Gesprächsabend mit Jürgen Fliege zum Thema "Sterbehilfe als Lebenshilfe". Der Veranstaltungsort ist noch offen. Es folgen im Sommer und Herbst weitere Vorträge sowie ein Tagesseminar mit Sylvester Walch.

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Autor: Helmut Seller